Autor Gunnar Kunz
(Copyright: Gunnar Kunz)

1. In Deinen Händen hältst Du Welten. In Deinem Herzen werden sie erschaffen, in Deinem Kopf genährt. Aber wer bist Du? Erzähl uns etwas über Dich!

Geboren wurde ich in der Stadt, in der Lessing seinen „Nathan“ schrieb, und zwar in dem Jahr, in dem der Spiegel die Bestsellerliste einführte. Mit zehn beschloss ich, Autor zu werden, und machte mich umgehend daran, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Meine ersten Werke schrieb ich mit Kugelschreiber auf Kellnerblöcke und verkaufte sie für fünf Pfennig auf dem Hinterhof. Dass diesem Geschäftsmodell kein Erfolg beschieden war, hing möglicherweise auch mit meiner gewöhnungsbedürftigen Handschrift zusammen.

Nach meiner Schulzeit arbeitete ich vierzehn Jahre lang am Theater, hauptsächlich als Regieassistent, und verbrachte zwei Jahre in Schottland (der Liebe und der Landschaft wegen). Während all dieser Zeit schrieb ich immer weiter und machte mich schließlich in dem Jahr, in dem Harry Potter das Licht der Öffentlichkeit erblickte, als Autor selbstständig.

2. Das bist also Du! Und die oben erwähnten Welten? Was möchtest Du uns zu ihnen sagen? Was kannst Du erzählen?

Ich schreibe über das, was mir am Herzen liegt: Meinungsfreiheit. Demokratie. Was uns zu Menschen macht. Möglichkeiten. Die Magie des Alltags. Den Augenblick der Veränderung. Menschen, die verletzbar sind. Menschen, die zweifeln. Menschen, die ihre Bestimmung suchen.

Konkret heißt das: Abgesehen von meinen Theaterstücken, Musicals etc. gibt es von mir unter anderem

– eine auf 12 Bände angelegte Krimiserie, mit der ich die Geschichte der Weimarer Republik erzähle (übrigens Jahre vor Volker Kutscher),

– die Fantasytrilogie „Seelenknoten“,

– „Lagunenrauner“, ein Fantasyroman aus dem Venedig des Jahres 1500,

– „Krähen über Niflungenland“, meine Version des Nibelungenstoffes,

– 2 Kinderbücher: „Schnatzelschnapf! oder: Wie kommt die Welt in meinen Kopf?“ und „Ein Koffer voller Wunder. Märchenreise um die Welt“,

– „Wer die Sau rauslässt, darf sich nicht wundern, wenn kein Schwein mehr auf seiner Hochzeit tanzt“ mit humorvollen bis surrealen Kurzgeschichten,

– „Land aus Nebel und Licht“, erzählender Bildband über Schottland,

– „Reimlexikon für Profis“.

3. Was löst das Schreiben in Dir aus? Wie fühlt es sich an? Welche Bilder hast Du im Kopf, welche Art Feuer brennt in Deinem Herzen, welches Orchester spielt in Deinem Kopf?

Glücksgefühle. Schreiben ist meine Bestimmung, deshalb gehe ich jeden Morgen mit Freude an meinen Schreibtisch.

4. Wer spielt Deine Muse? Und wie hältst Du sie fest?

Wer vom Schreiben leben will, kann nicht darauf warten, dass eine Muse gerade mal Zeit hat, auf einen Schnack vorbeizukommen. Ist auch nicht nötig. Am Abend vorher die morgige Arbeit planen, mit Gedanken an das nächste Kapitel schlafen gehen und morgens einfach anfangen – wenn man den Schreibprozess liebt, kommt die Muse dann von selbst. Die hält sich nämlich am liebsten da auf, wo bereits Kreativität herrscht. 😉

5. Abseits von dem »Ich möchte davon leben«, welchen Traum hast Du? Welcher Traum hält Deinen Geist wach? Er muss nicht einmal mit dem Schreiben zu tun haben. Oder groß sein.

6. Welches war Dein Lieblingsrecherchethema und wie bist Du es angegangen? Oder warst du vorher bereits in dem Thema bewandert (wie Bogenschießen) und hast es Dir deswegen mit zur Aufgabe gemacht, es einzubauen?

Recherche ist immer interessant. Manchmal auch nervig, klar, aber immer interessant: Man lernt selbst etwas dazu. Für meine Krimiserie recherchiere ich auf viererlei Arten:

1. Im Internet, da findet man manchmal ausgefallene Sachen. Dissertationen zu relevanten Themen, zum Beispiel. Oder Youtube-Videos, die zeigen, wie etwas funktioniert, und zwar so anschaulich und im Detail, wie man als Autor etwas per Beschreibung vermitteln möchte. Aber man muss sich im Netz halt durch einen Haufen Müll kämpfen, und oft ist das Ergebnis recht oberflächlich, deshalb sind natürlich nach wie vor meine wichtigsten Quellen:

2. Bibliotheken. Bücher. Auch und gerade aus der jeweiligen Zeit.

3. Zeitungen von damals, die ich auf Mikrofilm einsehen kann und die mir viel darüber erzählen, was die Leute bewegt hat, wie sie die damalige Politik bewertet haben etc.

4. Interviews mit Fachleuten. Besuche in Museen und Archiven. Zeitzeugen.

7. Welcher Moment im Autorenleben hat Dich so richtig zum Lachen gebracht?

Als einmal nach einer Kinderlesung die Kinder Autogramme von mir haben wollten und eines von ihnen mich fragte, ob ich auch „Harry Potter“ signieren würde.

8. Welcher Moment im Autorenleben konnte Dich sehr glücklich machen und wie?

Eine Bloggerin schrieb über meine Krimireihe: „Weder der Geschichtsunterricht in der Schule noch mein Geschichtsstudium an der Uni haben mich der Situation im Deutschland der Weimarer Zeit so nahe gebracht. (…) Mir persönlich erklärt dieser Roman bzw. die gesamte Reihe von Gunnar Kunz zum ersten Mal wirklich, wie es zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kommen konnte.“

9. Welcher Moment im Autorenleben hat Dich den Tränen nahe gebracht und weshalb?

Manchmal muss ich etwas recherchieren, was kaum auszuhalten ist. Über den Militärputsch in Chile. Über Väter, denen die Kinder weggenommen und die dann auch noch von Politik, Medien und Gerichten verhöhnt werden. Über die verharmlosten Folgen der Genitalverstümmelung bei Jungen. Über das sinnlose Sterben im 1. Weltkrieg. Über Alzheimer, in meinen Augen eine der grausamsten Krankheiten, die es gibt. Über Folter. Über Hiroshima. Über Kindesmissbrauch. Die Liste ist leider endlos. Weil das Leid auf der Welt endlos ist.

10. Herrje, herrje, wie die Zeit vergeht. Bist Du ein schneller Tipper oder eher ein Gemächlicher? Oder mal so, mal so?

Ich fordere jeden im Zwei(!)-Finger-System heraus.

11. Gehörst Du zu einer Schreibgruppe (wie Schreibnacht oder private Gruppen)? Nimmst Du am NaNo teil? Und wenn ja, wie? Nur im November oder auch bei den Camp-NaNos?

Nein. Aber ich habe immer mein privates Lektorat = Kollegen, mit denen ich befreundet bin, die eine Rohfassung meiner Romane lesen und mir anschließend Tipps zur Verbesserung geben.

12. Hast Du ein Schreibritual und wenn ja, wie sieht dieses aus? Zum Beispiel einen bestimmten Ort, an dem Du schreibst. Ein bestimmtes Getränk bei Dir (wie Kakao) oder eine Atemübung vorher?

Ein Ritual nicht, aber eine feste Tagesstruktur: Nach der Dusche gleich an den Computer. Ohne Frühstück. Vormittags ist die eigentlich kreative und deshalb für mich heilige Zeit. Irgendwann Arbeitspause, etwas essen. Weiter schreiben. Zwischendurch Spaziergänge, um mir über aufgetauchte dramaturgische Probleme klar zu werden. Nachmittags dann Telefonate, Lesungen organisieren etc. und Recherche in den Bibliotheken und im Internet. Abends wird gelesen, was ich ausgeliehen habe. Ich schreibe sieben Tage die Woche, selbst wenn es vielleicht mal nur zwei Seiten sind (was öfter vorkommt), weil ich entscheidend finde, im Fluss zu bleiben. Eine Freundin von mir sagt immer: „Du lebst mit deinen Figuren.“

Früher, als ich mit Kurzgeschichten anfing, habe ich manchmal Musik benutzt, um mich irgendwohin führen zu lassen. Heute führe ich lieber selbst. 😀

13. Welche Schriftart benutzt Du am liebsten? Oder passt Du es an jeden Charakter oder zumindest jedes Buch neu an? Wenn ja, worauf achtest Du dabei?

Im Ernst? So etwas macht jemand?

14. Gibt es eine Frage zu einem Deiner Projekte, auf die Du schon die ganze Zeit wartest? So etwas wie »Warum hast Du Dich dazu und dazu entschieden«? Wurde diese Frage mittlerweile mal gestellt? Magst Du sie uns verraten oder andeuten? Warum wartest Du darauf?

Eine Frage, auf die ich warten würde, gibt es nicht. Aber worauf ich warte, ist, einmal im Leben jemanden in der U-Bahn oder im Zug zu treffen, der eines meiner Bücher liest. Aber im Zeitalter der Smartphones bleibt das wohl ein Traum.

15. Hast Du ein aktuelles Projekt? Wie heißt es? Wo oder ab wann findet man es? Worum geht es?

Ein aktuelles Projekt habe ich immer. Derzeit arbeite ich am 10. Band meiner auf 12 Bände angelegten Krimiserie (Band 9 soll im Januar 2022 erscheinen). Ein neues Kinderbuch ist auch in Planung.

16. Nutzt Du ein Pseudonym? Wenn ja, wie ist es dazu gekommen, weshalb genau dieser Name? Was möchtest Du uns dazu erzählen?

Nur für meine Bilder. Da ich auch male und illustriere, wollte ich diesen Teil meiner Arbeit von meiner schriftstellerischen Tätigkeit abgrenzen. Und bin bei dem Pseudonym geblieben, das ich mir ungefähr mit vierzehn Jahren ausgedacht hatte, nämlich meinem Vornamen rückwärts: Rannug. Ursprünglich deshalb, weil ein großes R und ein kleines g in einer Signatur künstlerischer aussieht als ein großes G und ein kleines r. Aber der Vorname rückwärts hat auch etwas Symbolisches, finde ich: mein Alter Ego.

17. Gerade (aber nicht nur) wenn Du ein Pseudonym nutzt, weiß Dein Umfeld, dass Du schreibst? Und veröffentlichst?

Da ich seit vierundzwanzig Jahren vom Schreiben lebe, hat es wohl jeder aus meinem Umfeld mitbekommen.

18. Möchtest Du jemanden grüßen? Hier kannst Du Dir die Zeit dazu nehmen.

Ich grüße herzlich alle, die sich der herrschenden Shitstorm-Mentalität verweigern, sich nicht gegeneinander aufhetzen lassen und im anderen zuerst und vor allen Dingen den Menschen sehen.

19. Wo im Internet findet man Dich? Hier ist genügend Platz für Deine Links.

Website

20. Möchtest Du abschließend noch etwas sagen?

Es war nett, eure Bekanntschaft gemacht zu haben. Ich wünsche euch viel Erfolg.

Nur eine kleine Auswahl aus der schieren Menge an Veröffentlichungen, die Gunnar Kunz bereits auf den Markt gebracht hat.


Zusatzteil!

Wir hatten auch gefragt, worauf die Autoren Lust hätten, darum gibt es jetzt noch ein paar andere Fragen!

21. Es ist leider ein elendes Thema, aber auch ein Wichtiges: Wie hat Corona sich auf Dein Schreiben ausgewirkt? Damit meinen wir alles (was Du uns an Informationen geben möchtest). Verkäufe, Storyideen, Werbung etc. Was hast Du, positiv und negativ, als Lehre für Dich daraus gezogen?

Inhaltlich hat es sich gar nicht ausgewirkt. Ansonsten sind Lockdowns & Co natürlich ein Desaster:

– Nahezu sämtliche Lesungen, die einen wesentlichen Teil meiner Einkünfte ausmachen, sind weggefallen (Wobei ich hinzufügen möchte, dass es dabei nicht nur um Geld geht. Lesungen sind die einzige Möglichkeit, mit dem Publikum direkt in Kontakt zu treten und unmittelbare Reaktionen zu erfahren; ich vermisse das sehr);
– 2020 sollte ein Theaterstück von mir gespielt werden, das abgesagt wurde (glücklicherweise 2021 nachgeholt);
– Verlage zögern, neue Projekte anzunehmen, müssen erst mal ihre verschobenen Neuerscheinungen abarbeiten oder stehen vor der Pleite.

Die Lehre kann nur heißen: Fühle dich nie zu sicher. Ansonsten ändert sich in meinem Alltag wenig. Virtuelle Lesungen finde ich furchtbar (habe zwei gemacht, muss ich nicht wiederholen). Selfpublishing geht natürlich immer. Aber eigentlich möchte ich schreiben, nicht Marketing machen.

22. Was war für Dich eine Schwierigkeit bei den Charakteren?

23. Möchtest Du einen gewissen Standpunkt oder eine gewisse Moral vertreten oder willst Du vorrangig unterhalten?

Ich habe nie viel von der Unterscheidung in E und U gehalten. Wenn eine Geschichte uns etwas über das Leben erzählt, ist sie automatisch sowohl das eine wie das andere, weil sie uns fesselt und berührt, vielleicht gar eine Einsicht vermittelt. Um es mit Bill Watterson zu sagen, dem Schöpfer von Calvin und Hobbes: „Die Bedeutung jeder Kunst liegt in ihrer Fähigkeit, Wahrheiten auszusprechen – unsere Welt offenzulegen und uns dabei zu helfen, sie zu verstehen.“

Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit des Autors beim Schreiben, seine Aufrichtigkeit. Je ehrlicher er seine eigene Wahrheit artikuliert, desto wahrscheinlicher, dass ein Publikum etwas damit anfangen kann, weil es sich darin wiedererkennt, weil es seine eigenen Gefühle, Gedanken, Erfahrungen beschrieben und ausgelotet sieht. Das Allgemeingültige auf eine persönliche Weise zu erzählen, darum geht es.

Ich sehe mich in der Tradition der Geschichtenerzähler, jener Menschen, die einst am Lagerfeuer Märchen und Mythen darboten. Die Funktion dieser Erzähler war, das wird gern vergessen, immer eine doppelte: auf unterhaltsame Weise die Nacht herumzubringen, zugleich aber die Welt zu