Rainbow Rowell - Fangirl (dtv Verlag)
(Copyright Cover: dtv Verlag / Copyright Foto: Das Bambusblatt)

Unsere Version von “Fangirl” aus der Feder von Rainbow Rowell erschien als Taschenbuch am 21. Juni 2019 im dtv Verlag, kommt mit 464 Seiten daher und kostet 10,95€.
Wenn ihr diese Rezi übrigens lieber hören als lesen möchtet, findet ihr die Fassung bei den Links ganz unten.

Der Inhalt in eigenen Worten

Von ihrer Mutter im Stich gelassen und von ihrem Vater allein großgezogen, sind die jungen Zwillingsmädchen Cath und Wren seit ihrer Kindheit daran gewöhnt, vor allem füreinander da zu sein. Sie teilen sich ein Leben genauso wie ein Zimmer.
Bis zu dem Tag, da das Nachschulleben ruft und Wren zwar ihre Schwester mit an ein bestimmtes College drängt, dort aber beschließt, ein eigenes Leben mit einer neuen Mitbewohnerin führen zu wollen. Ein harter Schlag für die schüchterne Cath, die sich mit neuen Situationen und fremden Menschen heillos überfordert fühlt und ohnehin lieber im Hintergrund ihrer Schwester verweilt.
Doch Wren ist nicht da, als Cath ihre Zimmergenossin kennenlernt, sich durch die Lesungen schleppt und auf einmal bemerkt, dass es wirkliche Liebe nicht nur in einem Roman geben kann.

Die Charaktere – Das Herzstück jeden Buches

Wenn wir “Fangirl” aufschlagen, lernen wir gleich die Protagonistin kennen. Cath ist schüchtern, stur und verliert sich gerne in ihrer eigenen Welt, da diese sicherer als die wirkliche scheint. Vor allem der Klappentext möchte uns, in der ein oder anderen Version zumindest, verklickern, dass Cath das Leben um sich her gar nicht zu meistern weiß und ohne Wren aufgeschmissen ist.
Das ist zum einen auch wahr (zum anderen kann Cath sich aber auch selber durchsetzen) – so lernen wir, dass Cath sich lieber mit Kartons voller Schoko- und Müsliriegeln eindeckt, statt ohne ihre Schwester die Mensa zu suchen. Zu viele unbekannte Situationen und Menschen und die beiden Zwillinge wohnen nicht einmal im selben Wohnheim.
Erst durch die neue Mitbewohnerin von Cath wird das Ganze besser. Reagon (Namen prüfen) ist vorlaut, nicht gerade zimperlich und nimmt sich Cath an, ob beide es wollen oder nicht. Dadurch habe ich vor allem sie ins Herz geschlossen.
In vielen Punkten konnte ich Cath zwar verstehen, doch allgemein ging sie mir auch öfters auf die Nerven. Nicht weil sie Angstanfälle hat. Oder durch ihre falsche Bescheidenheit, während – typisch für viele Bücher – ihr Schreibtalent sogar von einer großen Autorin so sehr in den Himmel gelobt wird, dass man sie auch für die Göttin des Schreibens halten könnte (und dabei war ihr Schreibstil ziemlich durchschnittlich). Auch nicht dadurch, dass sie oft weint und Situationen zögerlich angeht. Nein, das alles kann ich irgendwo aus den Tiefen meines Herzens verstehen, auch wenn man es von außen betrachtet eher als nervig empfindet, als wenn man sich selber so verhält.
Cath ist sehr natürlich geschrieben, sieht man einmal von der völlig übertriebenen Darstellung ihrer Schreibarbeiten in jeder Form ab. Dennoch ging sie mir auf die Nerven, da sie erstens zwar natürlich geschrieben, dennoch aber das absolute Klischee ist, und zweitens dabei eine enorme Sturheit an den Tag legt. Sie bestimmt das “Feindbild” (z. B. ihre Mutter) und wenn Wren sich anmaßt, für sich selber zu entscheiden, ob sie den Kontakt aufbauen will oder nicht, dann lässt Cath das die ganze Zeit aus. Streitet. Weint und heult. Sieht nur sich im Recht. Ja, wie gesagt, das ist natürlich, aber eine Eigenschaft, die ich nicht mag. Sie wundert sich so sehr, dass Wren ihr eigenes Leben haben will, und versucht, es damit auszugleichen, dass sie noch mehr klammert und bestimmen will.

Nicht dass Wren besser wäre. Während Cath mich zwar nervte, ich sie ansonsten jedoch mochte und sie mich gut durch die Geschichte geführt hat, war Wren schon ab den ersten Zeilen bei mir unten durch. Ich mag ohnehin ihren Charaktertyp nicht, aber gleichzeitig finde ich sie so wenig empathisch, dass ich sie hätte anschreien können. Sicher, ich habe mit den Charakteren mitgefühlt und demnach auch Cath innerlich angeschrien, dass sie ihrer Schwester endlich den Raum geben sollte, nicht nur “ein Zwilling” zu sein, das bedeutet aber nicht, dass ich es gut finde, auf welche Art und Weise sich Wren loslösen will.
Sie weiß, dass ihre Schwester unter Angstzuständen leidet, hilft ihr dennoch allerdings nicht dabei, sich erst einmal zurechtzufinden. Sie drängt sie zurück, zieht sich aus Caths Leben heraus und versucht dann am Ende des Buches, als die beiden durch eine blöde Sache wieder näherkommen, alle Wogen einfach so zu glätten und wieder bei ihrer Schwester unterzukommen.

Ich möchte jetzt gar nichts groß zu den anderen Charakteren schreiben, außer dass ich Nick nicht als solchen Arsch empfinde, wie er durch manche Punkte dargestellt werden soll, und dass ich Levi sehr mochte, weil er doch sehr auf Cath eingeht.

Handlung, Schreibstil und Kritik

Ich muss gestehen, dass mich dieses Buch doch sehr überrascht zurückgelassen hat. So lange wollte ich es lesen, war mir aber immer unsicher, ob ich erst “Fangirl” oder erst “Simon Snow” lesen sollte, wollte aber auch nicht googlen, weil …. (ihr kennt Google) SPOILER ÜBERALL! NEIN, keine Spoilerwarnung jetzt für euch. Letztendlich habe ich mal meine Buchhändlerfreundin gefragt und die meinte, viele würden zwar “erst ‘Simon Snow'” sagen, doch sie würde mir zu “Fangirl” raten. Gesagt, getan, Nase ins Buch gesteckt und angefangen.
Meine Güte, am Anfang war ich vom Schreibstil sehr enttäuscht. Allein schon eine der (für mich) größten Sünden in einem Buch: Dinge in Klammern. Ja, das kann man in einer Rezi machen, Artikel, Chat, etc. … Aber in einem Buch? Nein. Sehr großes Nope von mir.
Zudem war alles am Anfang doch sehr flapsig und schnell beschrieben. Die einen kommen jetzt wieder mit dem Argument “Jugendbuch”, die anderen stimmen mir zu: Nur weil etwas ein Jugendbuch ist, muss es nicht gleich flapsig sein.
Je weiter ich allerdings gelesen habe, umso weniger hat mich der Schreibstil gestört. Ich könnte nicht einmal genau benennen, ob es daran liegt, dass er besser wurde oder ich mich daran gewöhnt hatte. Vermutlich ist es eine Mischung.

Auch den Aufbau mit den einzelnen Szenen und Abschnitten aus den Büchern von “Simon Snow” und ihren Geschichten fand ich grandios dazu. Einziger Kritikpunkt hier ist, wie ähnlich Rainbow Rowell “Simon Snow” und “Harry Potter” gestaltet hat. Es wird Absicht gewesen sein, klar, trotzdem empfinde ich persönlich es aber eher als störend. Es gab so viele Verbindungen und Parallelen und das wäre für mich witzig und in Ordnung gewesen, wäre nicht “Harry Potter” bei “Fangirl” erwähnt worden. “Simon Snow” überbietet dabei im Bezug Erfolg natürlich “Harry Potter” und gilt als “das Phänomen”, während von “Harry Potter” und dessen Erfolg nichts weiter berichtet wird. Was ein merkwürdig verzerrtes Bild darstellt, dass man sich besser und erfolgreicher darstellen und “Harry Potter” in den Schatten stellen wollte, oder das “Phänomen” zweimal, zur selben Zeit, stattfand, aber nur einmal erwähnenswert wäre.

Bevor ich jetzt zu meinem größten Lob komme, muss ich meinen größten Kritikpunkt mitteilen. Er wird bereits oben erwähnt, doch ich mache es nochmals ausführlicher: Ich hasse übertriebene Charaktere. Ich hasse es, wenn sie alles immer glatt und super machen oder, ohne bestimmten Grund jetzt (außer es geht zum Beispiel um ein Wunderkind), in ihrem Element so hoch in den Himmel gelobt werden. Selbstredend darf Cath schon in einen Schreibkurs, der eigentlich nur für höhere Kurse ist. Selbstredend kann sie Preise locker gewinnen. Selbstredend hat sie jeden Tag tausende Zugriffe pro Kapitel und die Leute sehen sie als die bessere Autorin von “Simon Snow” und selbstredend ist an diesem College eine sehr bekannte Autorin Professorin, die ihr sogar neben die selbstverständliche Note 1 ein begeistertes Männchen malt, das förmlich ausflippt. Selbstredend.
Und natürlich leidet Cath (selbstredend) an Bescheidenheit, sieht das alles nicht und spielt es runter. Gerade durch das, was mir an diesem Buch so gut gefallen hat, fällt mir dieser Punkt nochmal zusätzlich negativ auf. Kann sie nicht einfach nur gut schreiben? Kann sie nicht einfach nur mit ihrer Geschichte beliebt sein? Kann sie nicht einfach noch nur lernen, wie man besser schreibt, statt in diesem Kurs zu sitzen und einfach alle zu überbieten?

Denn …
Am besten hat mir die Natürlichkeit der Geschichte zugesagt. Cath mit ihrer Liebe, mit ihren Emotionen überhaupt, ihrer Überforderung … Ja, der Vater war übertrieben merkwürdig. Ja, Cath hat im einen Moment Angstattacken, wenn sie unter Menschen soll, und schafft es dann, wenn es wichtig ist, doch recht locker in die Mensa. Ja, es gab Höhen und Tiefen bei der Sympathie zwischen ihr und mir. Aber wie wundervoll natürlich diese ganze Geschichte ist. Kein Weltenretten, kein richtiges Liebesdreieck, kein “Ich muss die Beste sein und entsage allen Jungs”. Nein. Wir haben schlicht und ergreifend Cath in ihrem neuen Leben, mit neuen Menschen um sich her. Mit einer neuen Version von Wren. Mit Fehlern und Stärken und einer zarten, süßen Liebe, die so unschuldig und doch so chaotisch anfängt und dann einfach mehr wird. Nicht mehr in dem Sinne, dass die beiden plötzlich nicht voneinander lassen können. Es war so gut dargestellt, dass ich mich beinahe selbst verliebt fühlte. Als würde ich gerade tolle Dates mit einem süßen Jungen (bzw. bei mir auf Grund des Alters schon Mann 😉 ) und tausende Schmetterlinge im Bauch haben.
Wisst ihr noch, als ich oben erwähnt habe, dass mich dieses Buch überrascht hat? Das lag an zwei Dingen. Dinge, die mich erst mega gestört haben (wie dass Cath eine solche Zicke und Bestimmerin ist), waren am Ende aber genau jene Dinge, die das Buch so umwerfend machten. Sie ist Cath. Sie ist vielleicht Klischee, aber sie bleibt sich selber treu. Sie ist nicht perfekt und nur das Opfer, egal wie oft sie weint oder verzweifelt. Sie hat ihre eigene Stärke. Tief in sich. Und das ist eine so wichtige Nachricht. Wir sind nicht alle gleich und wir sind auch nicht alle immer stark. Das bedeutet aber nicht, dass du nicht vorangehen und besser sein kannst. Dass dort kein Leben auf dich wartet. Dass du dich nur hinter anderen verstecken musst.
Gleichzeitig sprüht dieses Buch auf der einen Seite so sehr mit Klischees, dass es sie auf der anderen locker zerbricht. Das erste Date? Nichts war perfekt oder toll. Nicht einmal der Höhepunkt davon. Ein Moment, wo man als Leser schon erwartet “Aha, jetzt muss es aber kommen, denn es kommt jetzt IMMER!”. Nein. Es sind zwei junge Menschen und dort tanzen nicht plötzlich tausende Sternenkerzen in der Luft und jemand legt “Claire de lune” auf, als würde jeder US-Teenager (oder überhaupt Teenager) dieses Lied erkennen. Bzw. eigentlich erkennen das ja nur die belesenen Mauerblümchen, die so viel klüger, kultivierter und besser sind als die Mädels, die es wagen, Schmuck und Schminke zu mögen und (haltet euch fest) auf Partys zu gehen!

Mein Fazit

Zu behaupten, dass ich ein “Fangirl” sei, wenn es um Caths übertrieben dargestelltes Schreibkönnen geht, wäre zwar faktisch absolut falsch, aber was in jeder Hinsicht korrekt zu sagen ist: Ich empfehle dieses Buch. Ob jung oder schon im mittleren Alter, “Fangirl” ist eine schöne Geschichte. Mich konnte sie überzeugen. Cath ging mir zwar manchmal mächtig auf die Nerven, letztendlich habe ich sie aber ins Herz geschlossen und kann kaum “Simon Snow” und die Mangas zu “Fangirl” abwarten. Ich fühlte mich wütend, genervt, verliebt, glücklich und innerlich auch mit meinem warmen und weichen Kern verbunden, als ich diese Geschichte gelesen habe. Endlich auch mal wieder ein Buch, dass ich in wenigen Tagen gelesen habe. Eigentlich kann ich einen 500-600 Seiten Roman an einem Tag locker lesen, nur ist es in letzter Zeit nicht so gut mit mir und meiner Leselust bestellt. Umso glücklicher bin ich, mal endlich wieder erfrischt worden zu sein.
DICKE KAUFEMPFEHLUNG!


Geschrieben von Judith


Links zu “Fangirl”

Verlagsseite des Buchs

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Unsere Rezension zu “Fangirl” als Audiodatei